Wie kamen die Kastanien in den Christstollen?
Ein milder Spätsommertag legt seine weichen Sonnenstrahlen über die herrliche Weinlandschaft. Von der kleinen Wintergartenterrasse der Villa Ludwigshöhe oberhalb Edenkobens und des hübschen Fleckchens namens Rhodt, öffnet sich der Blick weit über die Rheinebene, bis ins Badische Königreich. Grüne, gelbe und schon die ersten rötlichen Blätter an den Weinstöcken reflektieren das besondere südländische Licht, dass so typisch für diese Region ist. Die ganz im italienischen Stil erbaute Villa, die Sommerresidenz ihres Gemahls, König Ludwig I. von Bayern, vervollständigte das mediterrane Bild. Umgeben von einem natürlichen Garten, dem Garten Eden, wie er auch liebevoll genannt wurde. Therese, die Ehefrau Ludwigs und Königin von Bayern, sitzt mit geschlossenen Augen in ihrem Sessel und atmet in tiefen Zügen den Duft der Kastanienbäume ein. Die gelben Blüten mit ihren langen und seltsamen Formen sind zwar längst abgefallen, aber der strenge und etwas herbe, würzige Duft hängt noch zwischen den Ästen der Esskastanienbäume. Feigen, Mandeln und Kiwis ergänzen die Palette der Pflanzen, die sie umgeben.
Während ihre Tochter Mathilde mit einem zierlichen Löffel in der filigranen Tasse aus Meißen den Tee umrührt, blinzelt Therese in die Sonne und fragt: „ könnt Ihr Euch erinnern an das letzte Weihnachtsfest, als dieses wunderbare Geschenk aus Dresden bei uns ankam?“…“ Meint Ihr diesen würzigen Kuchen, diesen Stollen, wie er auch genannt wird?…Ja der war einfach köstlich…“ antwortet die Tochter und spürt im Geiste dem Geschmack nach.
„Ich habe mich so an meine Kindheit erinnert gefühlt, meine Mutter hatte einen Lieblingsbäcker, einen Meister seines Fachs. Sie hat jedes Jahr neue Zutaten ausprobiert und die Weihnachtszeit mit den Stollen war für uns Kinder immer wieder eine Überraschung. Ach ja, das war eine schöne Zeit….“ gibt sich Therese ganz ihren Gedanken hin.
Da kommt Mathilde auf eine Idee. Unten in der hochmodernen Schlossküche ist auch so ein talentierter Bäcker beschäftigt, sie hat bereits so viel von ihm gehört und auch schon probiert, ja der wäre sicher der Richtige. Sie geht die große Freitreppe hinunter und biegt direkt ein in die weiß gekachelte und ziemlich überhitzte Küche.
Meister Claude, er stammte aus dem benachbarten Elsass, aus Straßburg, wo ja auch der König selbst geboren wurde, versteht sofort was Mathilde von ihm erwartet. So vergehen nur wenige Wochen und der Königin serviert man jeden Tag eine neue Sorte von Stollen. Ganz besonders angetan ist sie von dem Rezept mit den gerösteten Kastanien, Feigen und dem Marzipan. Diesen widmet sie ihrem Ehemann, der die Baumfrüchte so sehr liebt. Eine andere Variante, mit südländischen Früchten erhält den Namen von König Otto, ihrem Lieblingssohn. Jeden Tag neue Geschmacksvarianten, sie fühlt sich wie im Paradies, oder besser, wie direkt im Garten Eden angekommen.
<strong>Da die Wittelsbacher Familie sehr groß ist, gab es fortan jedes Jahr neue Kreationen, die auch heute noch zu entdecken sind.</strong>